Eine Besichtigung des Lebens auf dem Lande
Grund genug gab es in den vergangenen Jahren für mich, das Schreiben eines Beitrages für dieses Heft zu unterlassen: wir waren gerade erst angekommen in Kattendorf, dann just auf den Hof gezogen, ich hatte ein kleines Baby und immer das Gefühl „was hätte ich eigentlich zu sagen, worüber es sich zu schreiben lohnte“…. aber in diesem Jahr gibt es kein Entrinnen mehr.
Denn seit über einem Jahr leben wir direkt auf dem Hofgelände, das Baby ist mittlerweile auch keins mehr….und Stimmen aus dem Hintergrund sagten mir, nun könne ich mich nicht mehr drücken, aus meiner Position als Landwirtsgattin, Mutter und Hausfrau gäbe es doch sicher Interessantes zu berichten…
Nicht direkt in der Landwirtschaft tätig zu sein, ist auf einem Betrieb wie dem Kattendorfer Hof nicht immer einfach. Alle erwachsenen Menschen die mich in meinem täglichen Lebensraum umgeben, arbeiten wirklich sehr , sehr viel und hart! Meine Rolle besteht zur Zeit darin, manchmal ein paar unsichtbare Fäden aus dem Hintergrund zu ziehen und mich zu bemühen, ein wenig das seelische und körperliche Wohl meiner Mitmenschen auf Trab zu halten; ich erwerbe Pflaster, Toilettenpapier, überzeuge den einzigen Menschen der irgendwie bereit zu sein scheint eine weitere Immobilie an uns zu vermieten in einem 62 fachen E-Mail Verkehr davon, dass wir dieses Haus wirklich gerne haben möchten, probiere mit manchmal mehr, teils weniger Erfolg, ein angekratztes Zufriedenheitsgefühl von Lehrlingen oder Schülerpraktikanten wieder zu verbessern…. Zu erkennen ist: die direkte landwirtschaftliche Tätigkeit fehlt bei mir!
Da wir aber mittlerweile in der traumhaften Position sind, direkt auf dem Hofgelände zu wohnen, bin ich natürlicher Weise mit der Landwirtschaft verbunden. Es gibt sozusagen kein Entrinnen mehr…
Los geht es, wenn in unserer Wohnung im Obergeschoss der Großteil der Familie Dungworth erwacht (Laurence ist natürlich schon seit Stunden im Stall….). Aus jedem Fenster kann man sich sofort davon überzeugen, dass alles beim Rechten ist:
Hausrundgang
Aus dem Wohnzimmer geht am Dienstag, Freitag und Sonnabend der Blick direkt in den Laden; geprüft werden kann, wer die heutige Ladnerin sein wird, ob das Brot schon da ist, wer das Gemüse anliefert usw…
Weiter in das Schlafzimmer der beiden Jüngsten (Askan 1,5 und Ottilia 3 Jahre), dort sind die direkten Nachbarn die Ziegen, die uns bei geöffneten Fenstern mit Glockengeläut in alpine Stimmung versetzen…. Etwas weiter zurück liegt Daddy´s Schweinestall und daneben die Mistplatte.
Im Damenschlafzimmer (Gwendolyn 5 und Isabel 6,5 Jahre) gleitet der Blick hinüber zum benachbarten Reitbetrieb, wo alle Ponies und Pferde von weitem mit Namen erkannt werden können.
Elternschlafzimmer- Blick lässt prüfen, ob der ortsansässige Edeka- Markt schon zu früher Stunde reichlich Kundschaft anzieht.
In der Küche angekommen beginnt, vor allem für Laurence und Askan, schon zeitig das Überprüfen der vorbeiziehenden Fahrzeuge und Treckermodelle, kurz der gesamte durch Kattendorf passierende Verkehr ist mit Leichtigkeit von dieser Position zu verfolgen. Im Sommer auch Mähdrescher und andere mir teils immer noch unbekannte Landmaschinen, die allerdings bis tief in die Nacht durch die Gegend fahren, sodass man auch ihr Gedröhn gut nutzen kann, um sich in den Schlaf schaukeln zu lassen. Noch einmal aus dem Kinderzimmer geblickt sehe ich, dass heute Gülle gefahren wird und stelle fest, dass meine Wäsche draussen hängt. Mittlerweile habe ich gelernt, dass das völlig irrelevant ist, da die Gülle des Hofes keine Gerüche abgibt!
Aktionen
Es gibt viele Dinge die unser Leben auf dem Hof jeden Tag wieder zu einem besonderen Ereignis machen.Da sind natürlich die auf dem Hof stattfindenden Aktionen, wie das Erdbeerfest, der Aufräumtag und das“ Zunkunft Säen“, viele der jüngeren fleißigen Besucher und Helfer finden sich dabei gern in unsere Kleinst- Sandkiste zum Tagesausklang zusammen….
Es gab von Beginn bis zum Sommer diesen Jahres akuten Wohnraummangel, sodass kurzerhand drei Wohnwagen erstanden wurden und wir unsere vielen helfenden Gäste unterbringen konnten. Ich denke wir hatten dadurch innerhalb eines halben Jahres ca. 30 verschiedene Nachbarn. Die Kinder haben tatsächlich nach einer Weile aufgehört zu versuchen sich zu merken wer wann und wo gerade wohnt.
Unsere Familie empfängt recht viele Gäste, für die keine Langeweile aufkommen kann; wir haben bereits für fast jeden, der länger als nur einen Tag verweilt, eine Aufgabe auf dem Hof finden können. Die vielen 9. Klässler unterschiedlicher Waldorfschulen, die für ihr drei wöchiges Landbaupraktikum auf den Hof kommen, bringen auch die unterschiedlichsten Ansätze mit. Manch einer fühlt sich komplett überfordert und reist verfrüht ab, einige hadern in der ersten Woche sehr mit sich und tauchen dann voll in die Arbeit ein, einige verlängern freiwillig ihr Praktikum innerhalb ihrer Ferien. Die Spanne ist groß. Ein interessanter Kommentar eines 15 jährigen war: „vorher dachte ich immer, ich wüsste was Arbeit ist. Aber was wirkliche harte Arbeit ist, dass habe ich erst hier bei Euch gelernt!“
In einer Gemeinschaft zu wohnen hat ja immer seine interessanten Seiten. In diesem Jahr ist es der Köchin Susanne und mir doch bis heute ein Rätsel, wohin sämtliche Geschirrhandtücher verschwinden. Nur ein geringer Teil ist wieder aufgetaucht. Anders ist es mit dem Mob und dem dazugehörigen Eimer; er ist oft tagelang verschollen, alle Menschen scheinen ihn nicht genommen oder gesehen zu haben. Und wie von Zauberhand –schwupps- steht er wieder an seinem Platz…
Ich habe hier eine der best- aufgestellten Babysitter- Kollonnen überhaupt! Wenn ich morgens, mittags, abends oder nachts weg muss oder möchte, dann kontaktiere ich die vier über 16 jährigen auf dem Hof lebenden Teenager und zack: der Abend ist gerettet. Wenn dann doch mal alle Stricke reißen, dann greife ich auf die charmanten Auszubildenden zurück….. viele Eltern mit kleinen Kindern wissen vermutlich, in was für einer luxuriösen Lage ich mich befinde.
Zum Kindergeburtstag geht es dann, kurzerhand und wenig geplant, einfach auf den hofeigenen Wiesen zur Schatzsuche… mit Feuer, Stockbrot und wenig Schnick Schnack: ein voller Erfolg.
Dass Kinder zwischen 1-6 Jahren auf einem Hof aufwachsen kann man z.B. an folgenden Dingen erkennen: wenn sie mit einem Jahr zu jedem Trecker Papa sagen, wenn sie mit zwei Jahren im Kindergarten Schlachter spielen wollen und damit andere Kinder in Angst und Schrecken versetzten, wenn sie mit drei Jahren wissen, dass ein Bulle ganz sicher keine Kälber bekommt, mit vier Jahren klar ist, dass die Väter immer die mit den Dicken Po´s hinten dran sind- auch die im Tierpark, mit fünf Jahren sicher ist, dass die männlichen Ferkel jetzt keine Väter mehr werden können, weil man dabei war, als der Tierarzt mit dem Messer etwas weggeschnitten hat und mit sechs Jahren erklären können, warum die eine Sau immer gestreifte und gefleckte Ferkel bekommt- das ist nämlich etwas ganz Besonderes, weil der Grossvater dieser Sau vielleicht ein Wildschwein war, aber so genau weiss das keiner, auch nicht Daddy.
Wenn Laurence am Sonnabend Nachmittag die Kasse vom Markt mitbringt, dann fühlen sich die Kinder für diesen Abend sehr reich, weil soviel Geld drin ist, sogar Scheine! Ich denke wenn sie gefragt würden, ob Ihr Vater viel Geld verdiene, dann würden sie sicherlich verraten, dass er mehr Geld hat als ein König!
Und wenn wir dann bei der Möhrenernte zwar erst zum Mittag kommen, weil wir noch lauter andere wichtige Dinge erledigen mussten , aber die letzten sind die den Acker verlassen, dann fühlen wir uns wie die Prinzessinnen von Kattendorf auf der königlichen Kutsche.
Wenn ich die 6 Highlights meines Jahres auf dem Hof beschreiben dürfte, dann wären das
- Dass Askan und ich dabei sein durften, als zum ersten mal die Kühe auf die Weide kamen
- Dass Isabel und ich mit Mathias und dem neuen super Mähdrescher an einem sonnigen Augustabend bei deren letztem gemeinsamem Einsatz im Jahr mitfahren durften
- Dass meine Kinder sagen: wir haben SO ein Glück auf genau diesem Hof zu wohnen, denn dann gibt es immer zu Weihnachten ein Christgeburtsspiel und Mami und Daddy sind Maria und Josef
- Das Sekt- Anstoßen auf die neu erworbenen und gerade eingeweihten Claas Trecker um 22:00 auf dem Feld, gemeinsam mit Annette, Elisabeth, Klaus, Laurence und Mathias
- Der abendliche Hunderundgang der es mir ermöglicht, die ruhenden Kühe im Sommer auf der Weide und im Winter im Stall zu besuchen und dabei ebenso
- durch den Schweinestall zu schleichen und sich der Idylle der schlafenden Schweine unterschiedlichster Altersstufen hinzugeben. Für mich ist dies die schönste Entspannung die ich bisher kennengelernt habe!
Nun haben sich ein paar Impressionen zusammengefunden!
Wer hautnah miterleben möchte, wie es wirklich ist, sei jederzeit herzlich willkommen auf dem Hof! Momentan haben wir sogar ausreichend Unterkunftsmöglichkeiten geschaffen, nicht nur in den Wohnwägen!
Und die Sandkiste steht auch ganzjährlich bereit!
Katja Dungworth
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