…oder was einem alles passieren kann.
Ich liebe es auszuschlafen, doch im Gegensatz zu den meisten Schülern bin ich kein Fan davon später Schule zu haben. Vielleicht liegt es daran, dass ich auf einem Hof lebe….
Da ich diesen April das Abitur schreiben werde, ist mein Leben gerade fast vollständig von der Schule eingenommen. An den meisten Tagen verlasse ich den Hof, während die Kühe gemolken werden und komme auch pünktlich zum Melken wieder (wenn nicht noch später). Außer am Freitag, da muss ich erst um 11:30 Uhr in der Schule sein. Die meisten würden sich darüber wohl freuen, doch ich muss gestehen, dass es mich aus meinem „Melkrhythmus“ bringt. Zu Beginn des Schuljahres bin ich fast jeden Freitag zu spät gekommen. Mittlerweile habe ich es geschafft mich an den zusätzlichen Rhythmus zu gewöhnen. Man glaubt nicht, was alles passieren kann, wenn man morgens länger Zeit hat.
Als mein Vater meinte, dass ein Hof wohl nicht der ideale Platz sei, um sich auf das Lernen zu konzentrieren, dachte ich nicht, dass ich seine Aussage je unterstützen würde. Doch mittlerweile tue ich dies. Denn was mir an den letzten Freitagen so passiert ist, ist echt unglaublich.
Es beginnt damit, dass ich in Ruhe frühstücke und den Blick auf den Hof genieße.
Dies ist meist besser als jeder gute Film. Aus unserem Esszimmerfenster kann man den Sauen mit ihren Ferkeln beim Fressen zugucken, was sehr genussvoll aussieht. Mit großen Happen und lauten Schmatzern, die man schon durchs Zuschauen hören kann, verschwindet der Haferbrei (der meinem Müsli nicht unähnlich ist) in der Sau. Die Ferkel wuseln um sie herum, während sie frisst. Doch nicht nur die Schweine sind zu sehen, auch die Rinder werden von mir während meiner Freitagmorgende beobachtet. Sie stehen im Fressgitter und kauen, kauen, kauen… auf ihrer Silage. Da lobt man es sich kein Wiederkäuer zu sein. Man kann schnell nach ein paarmal Kauen sein Essen hinunterschlucken und muss sich nicht den ganzen Tag mit der Verdauung beschäftigen. Manchmal habe ich das Glück unseren fleißigen Mitarbeitern dabei zuzusehen, wie sie den Rindern neues „Kaumaterial“ nachfüttern.
Doch nicht nur das!
Mein Frühstück wird- pünktlich um neun Uhr- nicht von nerviger Radiomusik begleitet, sondern von dem morgendlichen Gesang der Arbeitsbesprechung. Während draußen besprochen wird, was am Tag gearbeitet werden muss, schmiere ich mir drinnen einen kleinen Berg Schulbrote. Da ich bis sieben Uhr abends in der Schule bin, brauche ich genügend Verpflegung. Ich verwende dafür bevorzugt das „Kattendorfer“ Brot, vielleicht da es mich an Zuhause erinnert, während ich in der Schule sitze. Noch während ich mich verpflegungstechnisch auf die Schule vorbereite, geht draußen das Hofleben weiter. Um diese Zeit ist unser Haus das Paradies für treckerbegeisterte kleine Jungs, da gefühlt alle paar Minuten einer vorm Fenster vorbeifährt. Mal fährt Jakob mit dem einen Trecker zum Misten in die eine Richtung, dann kommt auch schon Felix, Daniel oder Malte mit der Einstreumaschiene auf den Weg zu den Rindern, in die andere Richtung. Sobald fertig eingestreut ist fährt der Trecker erneut vorm Fenster vorbei, aber nur, um in ein paar Minuten mit einem neuen Silageballen wiederzukommen. Auch die Gärtner sind morgens auf dem Hof mit ihren Treckern zu sehen. Entweder fahren sie am Fenster vorbei, da sie noch tanken müssen, oder sie haben den Trecker auf dem Weg zum Feld schon voll mit Kisten beladen. In dem ganzen Trubel gibt es aber auch Ruhe.
Wenn man aus unserer Terrassentür guckt, schaut man über den See zu den neuen Nachbarn. Dies sind unsere drei Schafe, die für die süße, Border- Collie Hündin angeschafft wurden. Diese liegt jetzt in unserem Flur und ruht sich nach dem ersten morgendlichen Austoben aus. Die Schafe (genannt: Tick, Trick und Track) lassen sich nicht von dem morgendlichen Hofleben stören. An manchen Tagen kommt auch der Eisvogel zum Fisch- Frühstück vorbei. Dann sieht man ihn, meist nur als ein kleiner blauer Blitz, vorbei fliegen. Er ist ein weiterer bunter Farbklecks im Hofbild.
Dieses ganze bunte, musikalische Hofleben
führt dazu, dass ich mich nicht davon trennen möchte und anfange, alles ein ganz kleines bisschen langsamer zu machen. Wenn ich dann doch schließlich auf meinem Fahrrad sitze, kann noch einiges dazwischen kommen. Meist sind es die kleinen Ferkel, die aus lauter Neugier überall herum schnüffeln und es so schaffen, ausversehen aus dem Auslauf zu fallen. Dann beginnen sie sich lauthals zu beschweren. Für mich bedeutet das, schnell absteigen und in den guten Schulklamotten Ferkel fangen.
Sobald ich das getan habe mache ich mich mit einem leichten Ferkelgeruch an den Händen, auf den Schulweg. Im Klassenraum angekommen weiß ich nicht, welcher der normalste Grund für die kleine Verspätung ist. Nachdem ich mich entschuldigt und schnell gesetzt habe, muss ich das Hofleben für ein paar Stunden vergessen. Sonst könnte ich mich nicht auf den Unterricht konzentrieren.
Doch wenn ich nach dem Sportunterricht auf dem Weg nach Hause bin, beginne ich mich schon wieder auf das Hofleben zu freuen.
Mein Vater hatte wohl recht mit der Aussage, dass ein Hof nicht der beste Platz zum Lernen sei, aber er ist mit Sicherheit der schönste und lebendigste Platz, den es für mich gibt!
Ich wünsche allen Lesern ein schönes Jahr und hoffe, dass euch vielleicht auch mal ein Ferkel von euren Aufgaben ablenkt.
Freya Tenthoff
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