Der Frühnebel liegt noch über den Feldern, als ich zusammen mit Gabriele vom Kattendorfer Hofladen in der Schanze am Morgen des 4. Oktober Richtung Neverstaven fahre. Der Kattendorfer Hof hatte eingeladen Zukunft-Säen in Neverstaven, Picknick und Präparate machen. Da möchte ich gerne teilnehmen. Das Gut ist noch ganz verschlafen als wir ankommen. Nach und nach belebt sich dieser zauberhafte Ort durch die ankommenden Menschen und wir versammeln uns, bekommen Sticker mit der Aufschrift “Zukunft Säen” und werden Teil einer mittlerweile auf vielen Höfen und in vielen Ländern stattfindenden Aktion.
Nach einer herzlichen Begrüßung von Annette und ihrem Mann Klaus laufen wir zum Acker, wo ein prall gefüllter Sack mit Futterweizen auf uns wartet. Laurence führt uns in die Kunst des Sämanns ein. Nicht zu dicht soll das Korn über den Acker mit weit ausholender Bewegung vor dem Körper aufs Feld gebracht werden, aber auch nicht zu weit. Zu viel Unkraut, oder aber zu dichtes Beieinanderstehen sind nicht zuträglich für ein gutes Gedeihen. Das Bild van Goghs vom Sämann und ein alter Spruch “Bemesst den Schritt, bemesst den Schwung, die Erde bleibt noch lange Jung” nehmen wir mit aufs Feld.
Alle 4 m stellen wir uns auf und bilden so eine lange Kette.
Und dann schreiten wir los, lustig wie unterschiedlich doch die Rhythmen sind und die Art und Weise das Korn zu streuen. So viele Kinder die fröhlich über das Feld stapfen, so unbekümmert und ich fühle doch eine gewisse Verantwortung. Was, wenn ich das Korn nun nicht so gleichmässig auf dem Feld verteile wie gewünscht. Kaum in den Rhymthmus gefunden ist mein kleiner Beutel auch schon leer. Etwas ratlos schau ich mich mit meiner Feldnachbarin Agapi um, wir stehen auf dem Acker und wissen nicht so recht weiter. Andere sind längst am Ende angekommen mit ihrer Tüte, wieder andere laufen sehr konzentriert auf ihrer Bahn. Ich entschließe mich derweil zu Laurence zu laufen und Nachschub zu holen, meine Stelle markiere ich mit einem Stein. Eineinhalb Beutel für die Überquerung des Ackers sagt er. Das Mass stimmt also, ich bin erleichtert. Ob der Rhythmus stimmig war werde ich im Frühjahr sehen, wenn ich wiederkomme, die Peilung habe ich genommen.
Auf dem Feld liegen grosse ausgegrabene Steine.
Es macht einen riesen Krach, wenn die Schaufeln des Flugs an ihnen hängen bleiben erfahren wir und es ist mühsam sie mit Gurten und Maschinen aus der Erde zu holen. Die Erde holt immer wieder neue Steine an die Oberfläche. Die Steine. die wir beim Verlassen des Feldes mitnehmen und an den Feldrand legen, eine Arbeit die nicht aufhört, weil immer wieder neue hochkommen. Es gibt kein Ende, höchstens eine Verfeinerung.
Davon spricht auch die Wahl der Bepflanzung und des Pflanzwechsels. Wie fein die kleinen Wurzeln des Klees sich in die Erde hinein verzweigen und dabei den für die Pflanzen so wichtigen Stickstoff umwandeln. Diese feinen Wurzeln erzeugen, dass was auch der Blitz erzeugt, wenn er in den Boden einschlägt. Eine kraftvolles Bild: Die vielen sich verzweigenden Klee,-oder Luzernenwurzeln, als kleine Blitze der Erdwelt. Auch der Regenwurm mag die Wurzeln gerne und der Regenwurm ist ein fleißiger Helfer, der mit seinem Kot und den vielen Löchern die er in das Erdreich bohrt für eine gute Bodenfruchtbarkeit sorgt. Die Kinder hören aufmerksam zu, hocken um das Steinloch herum und futtern während Laurence und Annette erzählen, den Weizen aus ihren noch vollen Tüten.
Wir verlassen das Feld und gehen zurück zum Gut, wo ein köstliches von allen mitgebrachtes und von Katja und Gisela arrangiertes Buffet auf uns wartet. Pause, Ruhe, dasitzen in der warmen Oktobersonne auf der Veranda. So schöne Gespräche.
Es geht weiter mit den Präparaten.
Das ist mir völlig neu. Was hat ein Kuhschädel mit der Saat zu tun? Laurence spricht von den Kühen und in seinem Erzählen eröffnet sich mir eine neue Welt. Wir können sehen und fühlen wie der durchblutete und von Nerven durchzogene Hornzapfen mit dem Schädel verwachsen und über Hohlräume mit den Stirn-und Nebenhöhlen verbunden ist. Auch mit dem Verdauungsorganen ist das Horn verbunden (bei der üblichen Enthornung tritt Methan! aus), aber auch mit einer sehr verhaltenen Möglichkeit Kontakt und Orientierung nach draussen zu haben. Die Kuh als in sich gekehrter Wiederkäuer. Ich höre wie friedlich es sei, wenn sie Nachts im Stall mit “meditativem” Klang verdaut und produziert. Milch, aber auch Dung für das Feld, den wir beim Präparate herstellen in Kuhhörner füllen.
Das Gekröse der Kuh, ein großer weisslicher Lappen, wird gefüllt mit selbstgepflückten, getrockneten Löwenzahnblüten und in den Dünndarm füllen wir Kamillenblüten. Was für eine archaische Handlung. Annettes Handgriffe, so fröhlich beherzt und versiert, inspirieren mich zum mitmachen. Diese Handlung eingebettet in ein kosmisches Ganzes, den Organen und auch den Pflanzen werden bestimmte Planeten zugeordnet, holt eine weitere Dimension hinzu.
Die bereiteten Präparate, wie sachlich der Name für so viel sinnliches Erfahren, werden auf das Feld getragen, wo sie den Winter über in der Erde bleiben, um im Frühjahr dem Mist zugesetzt zu werden. Eine wesentliche Möglichkeit zur Harmonisierung des Bodens.
Alles hängt mit allem zusammen, ein ewiger Kreislauf und wir sind mittendrin.
Die Saat ist die Verdichtung und der Neubeginn.
Was tut gut, was hilft und wie könnte es noch gehen. Das Wesen erkennen und damit umgehen, klingt aus allem was ich heute gehört habe.
Ich nehme viel mit nach Hause, als ich mich verabschiede und wieder gen Hamburg fahre und fühle mich reich beschenkt.
Vielen Dank an alle!
Birgit Köhn
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