Wo kommt unser Olivenöl her?
Ein Bericht von Alexander Franke, Mitglied in der SoLaWi Kattendorfer Hof
Beim Blick aus dem Fenster erspähe ich eine beige Decke mit tausenden von gleichmäßigen kleinen grünen Punkten, die über verstreutes Spielzeug am Weihnachtsabend ausgebreitet wurde. So zeigt sich die Landschaft beim Landeanflug auf Malaga. Der zweite genaue Blick offenbart riesige Felder mit Millionen von Olivenbäumen, die über die Hügel Südspaniens in exakt linearen Abständen gepflanzt wurden. Spanien produziert circa die Hälfte des Weltbedarfs an Olivenöl.
Zwei Tage später laufe ich entlang eines Olivenhains in den unteren Hängen der Sierra Nevada und muss teilweise genau hinsehen, um einen Weg zwischen den vielen Pflanzen und Gräsern zu finden. Mathis Rosenbusch nimmt sich in der arbeitsreichen Zeit vor dem Transport des Olivenöls an seine Kunden in Schottland und Kattendorf die Zeit, mir seinen Hof zu zeigen. Sechs Hektar Land bewirtschaftet er und seine Familie nach biodynamischem Prinzip seit 13 Jahren unweit von Orgiva – knapp 35 Kilometer südlich von Granada.
Das Land wird schon Jahrhunderte bewirtschaftet und ist mit einem wahrscheinlich 1500 Jahre alten Bewässerungssystem versehen, welches das gerade in den Sommermonaten dringend benötigte Wasser auf die Hänge verteilt. Von den Mauren erschaffen, durchziehen die kleinen Kanäle ähnlich wie Blutadern die Berghügel und sind überlebenswichtige “Infrastruktur” für die damaligen muslimischen Bauern und heute für die Olivenbäume, welche die Früchte für das Öl unseres Ernteanteils reifen lassen.
Viele der Olivenbäume sind aus diesem Grund circa 700 Jahre alt und stehen so als natürliche Vermittler zwischen Orient und Okzident für eine Gemeinschaft, die uns ein Vorbild im globalen Diskurs der vielleicht doch nicht so unterschiedlichen Lebensweisen sein kann. Grundsätzlich ist auf dem Hof in den Bergen eine autarke Lebensweise ohne Anschluss an das reguläre Wasser- und Stromnetz Alltag. Gekocht und gebacken wird mit einem Feuerholzherd, Wasser für die Duschen wird in Wassermodulen erwärmt und Strom für die wenigen elektronischen Geräte spenden Solarpaneele. Das Trinkwasser wird aus einer Frischwasserquelle separat zu den Zisternenkanälen gepumpt.
Neben den Olivenbäumen gibt es auf dem Hof einige Ziegen, ein Pferd, ein großes Gemüsebeet, Avocados, Orangen-, Granatapfel- und Mandelbäume. Damit Mathis die Menge des benötigten Bedarfs an Lebensmitteln überhaupt abdecken kann, hat er einige Kooperationspartner, die ebenfalls biodynamisch anbauen. In Spanien sind diese schwer zu finden, da “Bio” dort oft als verkaufsfördernder Hinweis auf der Verpackung angesehen wird, der jedoch nichts mit dem Herstellungsprozess zu tun hat. Die vielen Arbeiten auf dem Hof und in den terrassenförmig angelegten Olivenhainen schultert Mathis mit seiner Familie und Helfern des WWOOF-Netzwerkes (Willing Workers On Organic Farms – Netzwerk für Mitarbeit auf biodynamischen Höfen). Ein Großteil der Organisation der Arbeiten auf dem Hof erledigt seine Frau Mariam. Dies kann, mit teilweise bis zu 20 Personen, ein schwieriges und kraftraubendes Unterfangen sein. Beide gehen mit dieser Aufgabe sehr feinfühlig und achtsam um und versuchen bestmöglich auf die vielen unterschiedlichen Bedürfnisse der Familie und der Gäste einzugehen. So sorgsam wie mit der Natur wird auch mit den alternativen Lebensweisen umgegangen. Natürlich kommen neben der Arbeit auf dem Hof die unterschiedlichen Hobbys nicht zu kurz im täglichen Leben. Mariam spielt mit großer Leidenschaft Klavier und hat dafür ein eigenes Musikzimmer mit ihrem Flügel. Dort musiziert sie oft zusammen mit der Tochter Florina, die sie auf der Geige begleitet.
Dass die Kooperation mit der SoLaWi des Kattendorfer Hofes zustande gekommen ist und diese Mathis sehr am Herzen liegt, spüre ich in allen Gesprächen mit ihm. Obwohl die eigentliche Zeit der Olivenernte seit knapp 2 Wochen vorbei ist, findet Mathis 6 kleinere Bäume, die noch Früchte tragen. Bei widrigen windigen Bedingungen pflücken und schlagen wir die Oliven von den Bäumen und erhalten eine Ausbeute von zwei Stiegen. Auch für diese wenigen Oliven nimmt sich Mathis die Zeit und zeigt mir, wie er für kleine Mengen und zum Verschnitt von neuen Sorten seine Olivenpresse nach dem Mattensystem nutzt. Eine Mühle zerkleinert die Früchte und der so entstandene Sud wird nun auf knapp 30 Grad erwärmt und bis zum Abscheiden des Öls gerührt, was 45 Minuten dauert. Danach wird der Sud in 3 Zentimeter hohen Schichten auf einzelne Matten verteilt und innerhalb der Presse geschichtet. Zuerst, vor dem Beginn des eigentlichen Pressvorgangs, läuft das sogenannte „Extra Virgin“ Öl in den Auffangbehälter. Klares strahlend grünes Öl mit einem leicht bitteren Geschmack. Eine tolle Erfahrung, dieses frische Öl zu kosten! Diese “kleine” Olivenpresse wird aufgrund der vielen einzelnen Schritte und der begrenzten Kapazität nicht für alle Oliven des Hofes genutzt. Für das Pressen der Hauptmenge des Olivenöles nutzt Mathis eine nahe gelegene Mühle, die extra für die biodynamisch angebauten Früchte einen eigenen Pressvorgang durchführt. Somit findet kein Verschnitt mit anderen konventionellen gespritzten Oliven statt.
Für Mathis ist die Verbindung zwischen Bauern und Konsumenten ein wichtiges Anliegen. Genau aus diesem Grund zeigt er mir diesen besonderen Prozess und lässt ihn mich mit seiner ganzen Intensität spüren. Er versichert mir während des Pressens der Matten, dass er sich über jeden Besucher der Kattendorfer Hof SoLaWi freut und damit das Wissen und die Achtsamkeit für unsere täglichen Nahrungsmittel schärfen möchte. Diese Besuche bei Mathis und seiner Familie auf dem Hof sind in zwei Arten möglich. Einerseits als Erntehelfer auf dem Hof oder in einer Ferienwohnung. Diese Ferienwohnung liegt direkt an der talzugewandten Seite, hat einen Balkon, mehrere Zimmer und einen grandiosen Blick auf Orgiva und die Berge der Sierra Nevada. Wer also lieber ohne Arbeitseinsatz dieses Idyll besuchen möchte, hat hier seine Unterkunft gefunden. Für beide Formen könnt Ihr Mathis eine Anfrage per Mail senden.
Nach knapp zehn Tagen ist mein Besuch leider schon wieder vorbei und ich laufe in der Abenddämmerung des letzten Abends entlang des Feldweges zu meinem Zimmer, vorbei an den Olivenbäumen auf dem Terrassenhang des Nachbarn Paco. Dort stehen die Olivenbäume wieder ohne Pflanzen und Gras nebeneinander und wirken traurig – als ob ihnen die Aura fehlt – und erinnern mich an die riesigen Felder beim Landeanflug.
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